Deine Lakaien »1987«
Interview mit Ernst Horn im Orkus Musikmagazin

DEINE LAKAIEN - 1987: Zur Erlösung bitte hinten anstellen

Wir schreiben das Jahr 1987: Steffi Graf gewinnt ihr erstes Grand Slam-Turnier. Crocodile Dundee und Dirty Dancing feiern Kinoerfolge. Berlin begeht seinen 750. Geburtstag, und die Weltbevölkerung erreicht fünf Milliarden. Die Liste der „bedeutenden“ Ereignisse können fortgesetzt werden; wird sie auch, jedoch anders, als vielleicht auf den ersten Blick erwartet. Denn irgendwo in München, in einem kleinen „Heimstudio“, sitzt der ehemalige Oberkapellmeister und studierte Pianist und Dirigent Ernst Horn vor dem Mischpult, während sein Partner, der Sänger Alexander Veljanov, die Vocals zu Death-Raft und Battle Of The Ghost einsingt. Das immerhin schon seit drei Jahren bestehende Electronic-Duo Deine Lakaien steckt mitten in den Arbeiten zu seiner zweiten Studioproduktion.


Doch die Rede ist hier nicht von Dark Star, dem Deine Lakaien Erfolgsalbum, welches erst vier Jahre später folgen soll, sondern von seinem Vorgänger, über dessen Titel Ernst und Alexander noch angestrengt nachdenken. Manch einer wird sich nun verwundert am Kopf kratzen und mit fragenden Blicken die letzten Sätze ein weiteres Mal lesen. Aber alles der Reihe nach.

Denn erst im Jahr 2003 soll ein für Lakaien-Fans bedeutsames Ereignis aus dem Jahr 1987 in greifbare Nähe rücken. Und so bekommen wir es mit einer Studioproduktion Ernst Horns und Alexanders Veljanovs zu tun, die bereits seit 16 Jahren existiert, die jedoch soweit noch kaum einer zu hören bekommen hat. Hierbei handelt es sich um das bis dato nur als „Silvertape“ oder auch als „Silberne Kassette“ bekannte Werk, den eigentlichen zweiten Longplayer von Deine Lakaien, welcher im Mai diesen Jahres bei Chrom Records unter dem schlichten wie aussagekräftigen Titel 1987 erscheinen wird.

Doch wie ist es möglich, dass eine Produktion, die ursprünglich nie veröffentlicht werden sollte, so viele Jahre nach ihrer Entstehung nun doch herausgebracht wird? Ernst Horn gibt Aufschluss über diese Frage: „In der letzten Zeit sind viele illegale Bootlegs (also Raubkopien) in Umlauf gekommen, die zudem noch mit einer dermaßen schlechten Soundqualität aufwarteten, dass wir uns letztendlich dafür entschieden haben, dieses Album nun doch zu veröffentlichen. Irgend jemand hat dann zusätzlich noch eigene Songs von sich selber dazwischengemixt, so dass das Ganze langsam, aber sicher aus dem Ruder lief und wir nun mit einer offiziellen Veröffentlichung weiteren Vorgängen dieser Art vorbeugen.“

Offen bleibt die Frage, warum das Werk nach Abschluss des ersten Plattenvertrages zum damaligen Zeitpunkt nicht erschien. Und auch hierauf gibt Ernst eine klare Antwort. „Ich hatte damals, 1987, nachdem die Arbeiten an der Platte beendet waren, so etwa 50 Kopien für Promozwecke erstellt. Alexander und ich wussten schon aus eigener Erfahrung mit unserem Debutalbum, was es heißt, eine Produktion im Eigenvertrieb auf den Markt zu bringen. Und leider verhielt es sich auch dieses Mal so, dass sich keine Plattenfirma wirklich für das Album zu interessieren schien… bis auf Carl Erling, bei dessen Label ClassX wir schließlich einen Plattenvertrag unterzeichneten. Als es dann um die Veröffentlichung eines zweiten Lakaien-Albums ging, entschlossen Alexander und ich uns dazu, lieber neue Songs einzuspielen, aber auch einige der ursprünglich geplanten Stücke mit auf die Platte zu nehmen, die dann später Dark Star heißen sollte.“

Silver Tape, der seit Jahren verwendete, inoffizielle und durchaus mystifizierende Titel der jetzt als 1987 erscheinenden Produktion, lässt sich im Grunde genommen einfach erklären: „Für die Einlageblätter der Promotion-Kassetten hatte ich silbernes Papier verwendet, und fortan wurde nur noch von der silbernen Kassette gesprochen“, lacht Ernst.

Nach dem erfolgreichen jüngsten Werk White Lies, welches gerade mal vor knapp einem Jahr in die Läden kam, und zwei sich anschließendes Touren kommt es für die Fans von Deine Lakaien einem warmen Regen gleich, dass sie jetzt mit einem derartig spannenden Dokument aus der Geschichte dieser Band beschenkt werden. „Sicherlich ist das eine schöne Sache“, gibt Ernst zu und weist darauf hin, dass es sich jedoch bei 1987 nicht um ein herkömmliches Studioalbum handeln wird.

Anders als bei Kasmodiah und White Lies wird 1987 nicht in Zusammenarbeit mit Sony-Columbia erscheinen, sondern ausschließlich bei Chrom Records. „Carl hatte ja schon immer die Rechte an dem Material. Auch wollen wir dieses Album nicht ganz so hoch hängen wie unsere regulären Produktionen. Es ist vor allem für Sammler und Fans gedacht, soll aber nicht im gleichen Maß wie eine komplett neue Veröffentlichung promotet werde. So wird die CD auch nur in ausgewählten Geschäften und natürlich über Chrom selbst zu beziehen sein. Wir möchten 1987 ganz unvoreingenommen als Dokument der Lakaien-Geschichte verstanden wissen, nicht als Nachfolger von White Lies. Ich habe darauf bestanden, dass wir mit einem Sticker auf der Hülle kenntlich machen, dass es sich um eine frühere Produktion der Lakaien handelt. 1987 zeigt Deine Lakaien damals, nicht Deine Lakaien heute.“

Dass jedoch die Lakaien von heute ihre Arbeit von damals noch immer zu schätzen wissen und sich der Besonderheit dieser außergewöhnlichen CD bewusst sind, beweisen sie ihren Fans mit einer „der Veröffentlichung angemessenen und entsprechend aufwändigen Verpackung“, so Ernst. „In der CD-Hülle werden gleich drei Booklets vorzufinden sein. Zusammen mit unserem graphischen Gestalter waren wir vom Artwork so überzeugt, dass die Songtexte neben der Fülle von Bildern kaum unterzubringen waren. So gibt es nun also ein Booklet für die Texte und ganze zwei für die künstlerisch bildliche Ausgestaltung des Albums.“ Na, wenn das mal nichts ist!

Auf welcher Ebene aber ist 1987 soundtechnisch anzusiedeln? „Damals haben wir mit Analogbandmaschine gearbeitet. Digitale Aufnahmeverfahren gab es ja noch nicht. Mit diesen Bändern sind wir dann auch dieses Jahr ins Masteringstudio gegangen. Herausgekommen ist eine Klangqualität, wie sie keines unserer späteren Alben übertreffen kann.“ Ernst scheint vollauf begeistert ob des hervorragenden Sounds. „Viele Studios in Frankreich und England arbeiten bis heute mit Analogbändern, obwohl dieses Verfahren wesentlich aufwändiger und teurer als der Umgang mit den digitalen Medien ist.“

Der Umfang des Albums bleibt derselbe wie schon der des Prototyps von vor 16 Jahren. So finden sich auch jene Stücke auf 1987 wieder, die uns bereits bestens von Dark Starbekannt sind, handelt es sich doch immerhin bei zwei von ihnen um einige der erfolgreichsten Lakaien-Songs überhaupt. Reincarnation und Love Me To The End. Hinzu kommt das nicht weniger geniale Days Gone By. „Wir wollten den Longplayer ganz genauso lassen, wie er damals ins Archiv gewandert ist“, berichtet Ernst. „Es sollte nichts daran verändert werden, damit unsere Strategie, eine saubere Dokumentation zu schaffen, aufgehen würde.“

Die späte Veröffentlichung von 1987 bedeutet den beiden Musikern Alexander Veljanov und Ernst Horn eine Menge. „Es war schon irgendwo eine schwierige Produktion. Ich habe wohl selten dermaßen ambitioniert an einem Projekt gearbeitet wie damals an dieser Platte. Inhaltlich weist sie eine Vielzahl von Wegen und Richtungen auf, die wir künstlerisch mit Deine Lakaien hätten beschreiten können.“

Wie schon das musikalische Debut von Deine Lakaien, so handelt es sich auch bei 1987um ein Album mit Konzept. Ein Konzept, welches sich mit den verschiedensten Blickwinkeln des Themas „Tod“ auseinander setzt. Unter diesem Aspekt ist auch die Intention von Songs wie Reincarnation zu verstehen, welches sich auf eine sehr ironische Art und Weise mit der Wiedergeburt beschäftigt, jedoch lange Zeit fälschlicher Weise als rein esoterisch betrachtet wurde. „Wir haben es hier mit humorvollen, ironischen, aber auch ernsthaften und sogar politischen Titeln zu tun.“, verrät Ernst. Es sind nicht zuletzt Titel wie Battle Of The Ghost, Queue Up For Redemption oder The Executioner, die diesen Standpunkt nahe legen. „1987 gleicht einer Art Theateraufführung, die verschiedene Gesichtspunkte des Konzeptthemas ausleuchtet…“ Ein Vergleich Ernst Horns, der durchaus seine Berechtigung hat.


Orkus​ 5/03 - J.Z.

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