Deine Lakaien »1987«
Feature Notes 5/2003

Der Gesang klingt partiell nach einer nicht geringen Menge Irrsinn, die Tonspur wie ein zu schnell drehendes Kirmeskarussell. Erste Anzeichen des späteren Purismus dann beim dritten Track. und dann! Dieser quietschig-hupende Klang ergreift mit einer riesengrossen, warmen Hand das Herz des Hörers und was bei den ersten beiden Tracks noch kaum vorstellbar war, wird mit „Reincarnation“ Gewissheit: sie sind es wirklich!!!

Selbstverständlich: Passend zur ersten offiziellen Veröffentlichung wurde auch „Reincarnation“ ein bisschen glattgeschliffen, ein Teil von Ernst Horns geliebten Soundfrickeleien wurde abgemildert, aber der Kern des Hits stand schon in diesem frühen Stadium auf sicheren Beinen. Ohne Frage – der beginnende Erfolg durchdringt schon dieses frühe Werk von Deine Lakaien, das nun erstmalig offiziell das Licht der Welt erblickt.

Dieses Musik hat eine lange Geschichte hinter sich. Als der Berliner Sänger Alexander Veljanov und der studierte Münchner Schlagzeuger, Pianist und Dirigent Ernst Horn 1984 Deine Lakaien gründeten, war der große kommerzielle Erfolg weder geplant, noch bedrückte er die Gedanken und die Kreativität der beiden passionierten Musikliebhaber. Viel mehr waren es die schrägen Themen des experimentellen Theaters oder einer Nico, die Horn und Veljanov begeisterten. Voller Elan und mit der nötigen Portion Eigenbrötlertum verlegten die beiden 1986 ihre erste Platte im Eigenvertrieb. Diese seltene Scheibe dürfte heute so manchem Lakaien-Fan Tränen in die Augen treiben und einen Jahresurlaub an Geld kosten.

Das zweite Werk, das auf Tonspur gebannt wurde, war ein Demotape, das in silberfarbene Kassettenhüllen gebettet und inoffiziell auf den Namen „Silberne Kassette“ getauft wurde, bevor es in irgendwelche Abgründen des Lakaien’schen Archives verschwand. Erst 1990 holten Horn und Veljanov die „Silberne Kassette“ wieder aus der Verdunklung und bewarben sich mit diesem experimentellen Stück Musikgeschichte und ihrem ersten Album bei diversen Plattenfirmen. Im selben Jahr unterzeichneten sie bei Gymnastic ClassX, den heutigen Chrom Records, einen Vertrag. Diesem Label blieben die beiden Untergrundkünstler aus Passion bis heute treu.

Zwei Songs der „Silbernen Kassette“ wurden gemeinsam mit neuem Material zu einem offiziellen Album: „Reincarnation“ und „Love Me To The End“, beide der „Silbernen Kassette“ entnommen, verhalfen „Dark Star“ 1991 zum Durchbruch. Der Rest ist Geschichte.

Obwohl das Silbertape anschließend wieder im Nirwana verschwand, kennen es doch erstaunlich viele Lakaien-Fans; Kopien dieser alten Demokassetten erreichten sogar die USA und fanden von dort aus via Internet wieder ihr Ursprungsland zurück. Es muss nicht betont werden, dass die Qualität beträchtlich gelitten hatte; zudem waren einige Versionen zwischenzeitlich mit musikalischen Ergüssen anderer Leute angereichert worden.

Deine Lakaien wären jedoch nicht Deine Lakaien, wenn sie diesen Hilferuf ihrer Fangemeinde ungehört verhallen ließen. So entschloss man sich, die „Silberne Kassette“ neu zu mastern und auf eine CD mit dem Titel „1987-The Lost Early Works“ zu bannen. Mit erstaunlichem Ergebnis.

Voll von unverblümten Spaß an Klanexperimenten, den vor allem Ernst Horn heute noch bei diversen Life-Konzerten unter Beweis stellt, und völlig unbelastet von den hohen Erwartungen der Hörerschaft, wandten sich Deine Lakaien bei dieser reinen Urform ihres Schaffens spielerisch und ohne Berührungsangst den unterschiedlichsten Genres zu. Teilweise arg schräg, voller Drama und expressionistischem Zittern ist diese Kassette weit weg von dem Düster-Pop, der den Stil der Lakaien heute prägt.

Selbst wenn sie sich auf jedem ihrer aktuellen Alben eine kleine Nische für Spielereien und Ausbrüche freigehalten haben: „1987-The Lost Early Works“ toppt alles. Wer nur die neuen Werke kennt, wird von der Theatralik diese Kunstprojektes überrascht und möglicherweise überfordert sein. „1987-The Lost Early Works“ bietet keine leichte Kost, aber dafür viele, viele Leckereien, die den rauen Charme der Anfangstage in sich tragen.

Die Sammlung der Songs, die übrigens in der Originalreihenfolge der „Silberne Kassette“ auf „1987-The Lost Early Works“ übertragen und von den Originalbändern mit viel Mühe und Liebe neu gemastert wurden, erscheint in einer limitierten Sonderauflage. Das gesamte Artwork wurde dem Hamburger Künstler Tim Becker anvertraut, getreu dem Motto: „Wo künstlerische Freiheit drin ist, soll sie auch nach außen dringen dürfen.“ Drei schwarz-weiß-kupferne Kunstbooklets mit je zwölf Seiten bereichern den Digipack im Schuber und unterstreichen den Touch des Kunstprojektes, der auch das Album auszeichnet.

Tania Witte

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