18.12.2001 Hamburg, Kampnagel-Fabrik
Sechs Jahre ist es her. Damals stellten Deine Lakaien auf ihrer umjubelten Akustik-Tournee eindrucksvoll unter Beweis, dass sie wirkliche Musiker waren. Jene Konzerte sind längst Legende und wer erst nach ‘95 zu der Band stieß, wünscht sich nichts sehnlicher, als dabei gewesen zu sein. Im Dezember hatte man in Hamburg wieder einmal die seltene Gelegenheit.
Niemanden wundert’s, dass das Kartenkontingent schneller ausverkauft war, als die Anzeigen in den Druck gingen. Und so war die große Halle der alten Kampnagel-Fabrik bis in den letzen Rang gefüllt. Die Bestuhlung verlieh der Atmosphäre zusätzlich etwas Feierliches. Nach einem kurzen Zwischenspiel der Horn-Entdeckung „Suzanne“, die zwar ambitioniert, aber doch eher Kirchentags-tauglich waren, betraten Ernst Horn und Alexander Veljanov die Bühne.
Mit „Love Me To The End“ beginnt das Programm. Es folgen die Klassiker „Down Down Down“ und das Herzstück des letzen Albums „The Game“, Ernst scheint sich in einen Oktopus zu verwandeln, um mit einem guten halben Dutzend Hände das gesamte Klangrepertoire der Lakaien aus seinem Flügel zu zaubern. Die Anstrengung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Währenddessen wandelt Alexander auf der Bühne in samtenen Farben und verzaubert die Gäste, die sich vor Überwältigung nicht einmal mitzusingen trauen, mit seinem kühlen Charme. Die intensive Einheit der beiden Musiker wird optisch verstärkt, als Alexander bei „May Be“, „Follow Me“ oder „2nd Sun“ auf dem Barhocker zu Seiten des Pianos Platz nimmt.
Dies ist ein ganz besonderer Liederabend mit vielen Höhepunkten. Einer ist sicher das opulente Epos „Mirror-Men“, bei dem Ernst alle Register zieht. Gläser und Flaschen tanzen über die Saiten, die er wie ein Berserker beackert. Gleichzeitig steht Alexander angespannt auf der Bühne, versuch mit aller Kraft des kleinen Leibes diese gewaltigen Töne herauszupressen. Sein Gesicht versteinert zu einer Maske der Klänge. Danach sichtliche Erschöpfung. Schwindel unter den beiden Musikern … und tosender Applaus im Publikum!
Es folgt ein Ausblick auf das kommende Album „Where You Are“ und eine eindrucksvolle Version von „Return“, zu der Alexander eine neue Melodie singt. Das Schönste an Deine Lakaien ist, dass sie ihr Publikum immer wieder überraschen , indem sie mit ihren Stücken arbeiten. Und so erstaunt es auch niemanden, dass Ernst zu dem Elektrofeger „Overpaid“ Klänge aus seinem Piano presst, die es eigentlich gar nicht hergeben kann. Er kann’s.
Nach einem weiteren frenetischen Applaus die Zugaben: die neue Single „Generators“ und „Cupid’s Disease“ bei dem promt eine Saite reißt und das halbe Gläsersammelsurium zu Bruch geht. Bei den letzen Stücken „Dark Star“ und „Wunderbar“ löst sich die Anspannung plötzlich und Alexander hat Mühe, nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Dieses Konzert war ein eindrucksvolles Erlebnis: für zwei Künstler, die gezeigt haben, dass sie zu Recht zur musikalischen Speerspitze gehören, und für ein Hamburger Publikum, das es für Standing Ovations von den Plätzen riss.
Elmar Klemm