„Kiss The Future“ ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, weil es nicht nur musikalisch eine Hommage an den klassischen 80er Jahre-Synthi-Pop von Bands wie Yazoo, Blancmange oder Soft Cell darstellt, sondern im Text mit einzelnen Song- und Albumtitel-Zitaten aus dieser Zeit (von Depeche Modes „New Life“ und Japans „Methods Of Dance“ und „Gentlemen Take Polaroids“ über Simple Minds‘ „New Gold Dream“ bis zu Yazoos „Upstair’s at Eric’s“ und „Don’t Go“) eine amüsante Reflexion dieser Zeit ist.
„Ich habe mich ein wenig an die Zeit erinnert und wollte unbedingt einen Titel dazu machen, der sowohl Sachen beinhaltet, die ich damals gut fand, aber auch Klischees. Wir haben uns auch mit ‚Love Will Not Die‘ selbst zitiert, einem unserer ersten Stücke“, meint Alexander.
„Die Musik dazu war vorher da, und ich habe ihm das irgendwann vorgesungen, mit ‚into the future‘ und anderen Schlagwörtern. Da meinte Alexander, lass mich den Text schreiben“, ergänzt Ernst.
„Es sollte aber auch keine einfache Wave-Retro werden“, fügt Alexander abschließend hinzu. „Ich denke, es hat auch einen ganz eigenen Touch.“
Den hat auch ein anderes aus dem Rahmen fallendes Stück, nämlich das hektisch mit EBM-Rhythmen pulsierende und mit Alexanders ungewöhnlich harter, stark verzerrter Stimme vorgetragene „Lass mich dein Lakai sein“, einer ironischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Bandnamen.
„Der Name hat sich einfach verselbständigt“, findet Alexander. „Wir werden immer noch oft gefragt, woher der Name eigentlich kommt, aber das ist wie bei vielen Namen, die anfangs seltsam erscheinen. Mit der Zeit verselbständigen sie sich. Wenn man Erfolg hat, kann man ruhig Fatboy Slim oder Einstürzende Neubauten heißen oder Depeche Mode. Das ist eine französische Modezeitschrift. Wer benennt sich schon nach so etwas? Aber wenn man heute den Namen Depeche Mode hört, denkt man nie an eine französische Modezeitschrift, sondern an eine der wichtigsten Bands der 80er und sogar 90er Jahre.“
„Viele wissen gar nicht, was es mit dem Wort Lakai auf sich hat“, bemerkt Ernst dazu.
„Uns ist aufgefallen, dass der Begriff in Österreich noch sehr gebräuchlich ist, in Deutschland kennt ihn kaum noch jemand“, fügt Alexander hinzu.
„Als wir einmal in Österreich gespielt haben, stellte Alexander die Band vor: Wir sind Deine Lakaien. Da erhob jemand seinen Zeigefinger und meinte: Du stehst vor einem Hofrat!“
„Da wird auch die Ironie gleich wahrgenommen. In Deutschland passiert das eher weniger.“
Während „Kiss The Future“ und „Lass mich dein Lakai sein“ eher den augenzwinkernden Humor von Deine Lakaien repräsentieren, werden in den ruhigeren Stücken wie „Return“ oder „Sometimes“ Themen aufgegriffen, die in verschiedenen Variationen immer mal wieder bei Deine Lakaien auftauchen.
So mag man das knapp einminütige instrumentale, düster-atmosphärische Intro natürlich zunächst als emotionale Einstimmung auf das Album verstehen, doch im Zusammenhang mit der darauf folgenden Single „Return“ erhält das Intro einen noch tieferen Sinn.
„Ich wollte bei ‚Return‘ nicht so eine lange Einleitung haben, deshalb habe ich das dann separat gemacht, etwas atmosphärisch, wie eine Landung auf einem anderen Planeten“, erklärt Ernst.
„In ‚Return‘ geht es ja um einen Typen, der zurückkommt. Das ist einer der typischen ‚Lonely‘- und Wanderstücke wie ‚Away‘ oder ‚2nd Sun‘, die darum gehen, dass jemand fortgeht und wieder zurückkommt und nicht so recht weiß, ob er angenommen wird, sollte er überhaupt an eine Rückkehr denken.“
Wer schließlich in „Sometimes“ auf den Fragenkomplex stößt, ob es im Himmel oder auf Erden einen Gott, einen Freund, einen Sinn des Lebens oder ein neues Leben gibt, wird sicher schnell an den ähnlich thematisierten Deine-Lakaien-Klassiker „Reincarnation“ erinnert werden.
„Das ist eine ganz private Vorstellung von ‚Reincarnation‘, wo immer wieder über das große Thema geredet wird. Ich drehe das einfach gern in der Gegend herum“, meint Ernst.
„‚Resurrection Machine‘ war ja ganz die mechanische Variante, die Wiedergeburt als rein physikalische Möglichkeit. Ich versuche immer, ein bestimmtes Thema weiterzudenken.“
Da sowohl Ernst als auch Alexander an den Texten und etwas ungleichmäßiger verteilt auch an der Musik arbeiten, kann von einer klar abgegrenzten Arbeitsteilung bei Deine Lakaien gar nicht die Rede sein.
Interessant dabei ist allerdings jeweils das Resultat der verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten.
„Wenn der Text von mir ist, geht alles ineinander über“, meint Ernst. „Wenn ich mal eine musikalische Idee habe, wird der Text meist auf extrem einfache Weise dazu geschrieben, wobei eben bestimmte Wörter vorhanden sind. Alexander geht dagegen vielmehr von der poetischen Idee aus. Da klingt die Sprache einfach besser. Wenn ich von ihm einen Text bekomme, dann schaue ich ihn mir an, und dann kommt ganz automatisch etwas. ‚Overpaid‘ hat er mir z.B. einfach vorgesungen. Das war dann das komplette Lied.“
„Es gibt ja ganz verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, aber das einzige, was wohl nie passieren wird, ist, dass Ernst mir einen Text gibt und ich schreibe die Musik dazu“, ergänzt Alexander. „Bei Stücken wie `Fight´ oder `Lass mich dein Lakai sein´ habe ich den Text zur Musik einfach draufimprovisiert. Die meisten Sachen sind ja sehr ausgetüftelt, aber wir erlauben uns auch immer wieder Ausflüge in andere Arbeitsmethoden.“