Zum ersten Mal trat in Sankt Petersburg die Berliner Band Deine Lakaien auf. Die Organisatoren des Konzerts ließen die „dunklen Romantiker“ der deutschen Elektro-Musik im kleinen Saal der Philharmonie spielen. Und zum Erstaunen von Wladimir Rannev haben sie sich nicht verrechnet.
Einige westeuropäische philharmonische Säle haben die Angewohnheit, ihre Räumlichkeiten von Zeit zu Zeit mit unprofitablen Konzerten von Popbands oder sogar von Orchestern mit pleinair Pop-Klassik zu „durchlüften“. In der Regel haben die Ersten und die Zweiten ernsthafte geschmackliche Probleme und folglich ein verwundbares Renommee. Und so rufen die unprofitablen, gemieteten Konzerte in beiden Sälen der Sankt Petersburger Philharmonie oft ein peinliches Gefühl hervor: So ein bedeutungsvoller, symbolischer Raum der Musikkultur Sankt Petersburgs, und plötzlich die absolute Armseligkeit in den Grenzen des Raumes.
Am Anfang erweckte dieses Konzert Misstrauen gegenüber der Wahl der Organisatoren. Doch aus anderen Gründen. Einerseits macht die Band Deine Lakaien seit zwanzig Jahren
ganz seriöse Musik und wie auch immer sie stilistisch ist, diese Qualität öffnet ihr die Türen zu ganz bedeutungsvollen Säle der Welt, zum Beispiel der Berliner Philharmonie. Die Band hat Geschmack, Qualität und, wenn sie wollen, Talent.
In diesem Fall werden die Musiker dem Saal gerecht. Doch ihr Multimediainstrumentarium mit dem harten Sound und den unglaublichen Lichtspielen könnte als „GUM* in der Telefonzelle“, wie die Bewohner von Moskau sagen, erscheinen. Es ist sehr riskant diese ganze Bildbühnenmaschinerie in das barocke Interieur des Kleinen Kammersaals zu stecken.
Die Sorgen waren unbegründet. Auf der Bühne - ein Minimum an technischen Geräten (zwei kleine Notebooks und einige kompakte Lichtprojektoren), ein Pianist, eine Geigerin, ein Cellist und ein Gitarrist. Das ist eine Spezialzusammenstellung der „big show“ Band.
Manchmal treten sie in einer noch kompakteren Variante auf: ein Flügel, die Elektronik und ein Sänger.
Die Lichtshow hat sehr geschickt und ausdrucksvoll mit den Barockornamenten des Saals gespielt. Der Sänger Alexander Veljanov bewegte sich im schwarzen Etuianzug bescheiden plastisch auf der Bühne und verlieh dem Ganzen eine leicht dämonische Aura. Die ziemlich radikale visuelle Lösung des Konzerts erinnerte an die Ästhetik der Filme von Peter Greenaway, besonders an den Film „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“, schön und bösartig zugleich.
Oft stellt man Deine Lakaien in eine Reihe mit Nick Cave und den Einstürzenden Neubauten, und nach ihrer zwanzigjährigen Karriere nennt man sie „Band für die Ewigkeit“. Im Jahre 1985 stellte der Pianist und Dirigent Ernst Horn eine Anzeige in die Zeitung: „Suche einen Sänger, der sich nicht vor Experimenten scheut.“ Ein Mazedonier, Alexander Veljanov, Student an der Münchener Theaterhochschule, hat auf diese Anzeige reagiert. Die Sternstunde für die Beiden kam im Jahre 1991 nach der Premiere des Albums „Dark Star“. In dieser Zeit hat sich auch der charakteristische Stil der Band herauskristallisiert, der sich zwischen Techno, Folk und Gothic bewegt. Doch egal welche Zusätze in diese Liste kommen, die Musik von Deine Lakaien zeigt bei ihren Gründern akademisches -musikalisches und theatralisches- Können und die Fähigkeit, entsprechend zu denken: Das melodisch Liederartige passt in den Kontext des klangvollen oder probeartig minimalistisch instrumentalen Ornaments.
Anscheinend waren die Musiker in ihrer Zeit durch elektronische Klänge von Karlheinz Stockhausen und den Orchesterpathos von Philip Glass beeinflusst. Dabei ist die Pracht dieser Tonkonstruktion sehr fest und rational zusammengefügt und darüber schwebt die dunkle, magnetische Stimme von Alexander Veljanov.
Eine Musikwissenschaftlerin teilte, nachdem sie „Where you are“ gehört hatte, nach dem Konzert mit: „Die Zeiten ändern sich und die Musik auch, aber alles in der Kultur ist fest miteinander verbunden. Denn es ist der „Erlkönig“ von Schubert, finden sie nicht?“ Und wirklich, die Ballade - das Genre, das bei den „dunklen Romantikern“, wie die Presse sie nennt, beliebt ist – macht sie unerwartet mit dem „hellen Romantiker“ Schubert verwandt. In zwei Jahrhunderten hat sich nur der Farbton verändert.
Kommersant St. Petersburg, 06 / 2006
(aus dem Russischem übersetzt)
* GUM = Gosudarstvenij Universalnij Magasin (Einkaufszentrum)