DEINE LAKAIEN, „Kasmodiah“Tour
Live-Bericht im Zillo: "Docks" Hamburg, 4.5.1999

Zwei Wochen nach ihrem aufsehenerregenden Einstieg in die Album-Charts von Null auf Platz Vier stellten Ernst Horn, Alexander Veljanov, Michael Popp und Christian Komorowski ihre neue schwermütige Electro-Pop-Oper „Kasmodiah“ live vor. Die überwiegend eingängigen neuen Songs untermalten sie dabei mit einem gigantomanischen Licht-Feuerwerk, mit den von ihnen gewohnten, z.T. altertümlichen Instrumenten und kurzweilig sogar einem winzigen Portable-Keyboard.

Als das Quartett Ende April noch mitten in den Proben zur Tournee steckte, wollte eines Nachmittags das Telefon nicht mehr aufhören zu klingeln: Plattenfirma und Musikverlag freuten sich der Band sofort die sensationelle Nachricht vom unerwartet hohen Charts-Einstig überbringen zu können. „Alle waren total aus dem Häuschen“, so Alexander Veljanov im Interview, „bloß uns hat das gar nicht so aufgeregt“. Denn was den kommerziellen Erfolg von „Kasmodiah“ betrifft, herrscht im Hause Lakaien Ratlosigkeit, Verwunderung und Skepsis. „Diese neue Dimension“, führt Veljanov aus, „hätte wohl niemand erwartet. Wir sind gerade dabei, herauszufinden, was uns das bedeutet.“

Viel Zeit, um darüber nachzudenken, dürfte der Münchner-Berliner-Freundschaft um rastlosen Probe-, Promotion- und Tourstress nicht geblieben sein. Von Ruhe- oder Ratlosigkeit war Deine Lakaien bei ihrem Konzert im gut gefüllten Hamburger Docks dennoch nichts anzumerken. Mächtige blaue Lichtkegel kündigten wie überdimensionale Krakenarme in der Menschenmenge ihren Auftritt an. Nachdem der ex-Sleeping-Dogs-Wake-Musiker Robert Wilcocks mit seinem Projekt Summit den Abend eröffnet hatte, begannen Deine Lakaien ihr Set mit „Return“, der ersten Single ihres neuen Longplayers.

Michael Popp, für Gitarre und vorsinflutliches Instrumentarium zuständig, und der in eine rote Latexhose gekleidete Violinist Christian Komorowski hatten sich am rechten Abschnitt der Bühne ihren Platz eingerichtet. Am linken Teil tüftelte Ernst Horn, nicht anders als es der geneigte Deine-Lakaien-Konzertbesucher von ihm kennt, von Beginn an vertieft an seinem monströsen, digitalen Gerätepark. Die obligatorische Taschenlampe um den Hals litt, wütete und schwelgte der studierte Pianist, Dirigent und Schlagzeuger mit jeder einzelnen seiner dramatischen Kompositionen zwischen Klassik und Pop, die er mit einer art Notebook in Gang setzte: der konzentrierte Maschinist eines riesigen Klang-Kolosses bei der Arbeit zwischen Mischpult und Tastaturen. Alexander Veljanov schlich in einem dunklen Sakko, eben wie man es von ihm gewohnt ist, bedächtig und gelegentlich mit den Händen magisch gestikulierend über die Bühne, verbeugte und bedankte sich schlicht und höflich.

Adäquat mit Bewegung besehen wurde das routinierte Erscheinungsbild der mittlerweile bereits seit 14 Jahren operierenden Band durch die Scanner des opulent arrangierten Licht-Designs. Auf einer großen und einer kleinen, dreieckigen Leinwand malten die unzähligen Laser-Lampen kunstvolle Lichtgemälde, wirbelten Strahlende Ornamente quer durch die Halle blitzten passend zu nahezu jedem einzelnem Break im Takt. In strenger Symmetrie harmonierten die Farbtupfer nicht nur untereinander, sondern auch mit den Inhalten der Songs: Optik und Akustik bildeten ein detailreich aufeinander abgestimmte Einheit. Den akustischen Part dominierten überwiegend Songs der Alben „Dark Star“, „Forest Enter Exit“ und „Kasmodiah“: Die erste Hälfte des Konzertes wurde durch filigrane aufreibende Wave-Pop Songs wie „Love Me To The End“, „Don`t Wake Me Up“ und „Kiss The Future“ bestritten. Letztere zitatreiche Hommage an die Pop-Dekade der Achtziger leitete Veljanov originell ein, indem er auf einem portablen Mini-Keyboard einen jener berüchtigten Preset-Rhythmen laufen ließ und dazu die tragende Melodie des Songs spielte, bevor Horn das vorprogrammierte Klanggerüst per Knopfdruck startete.

Ähnlich dem huldigend-humorvollen Charakter von „Kiss The Future“ kam schließlich auch der neue, geflüsterte Minimal-EBM-Track „Lass Mich“ zur Geltung, den Veljanov, wie er im Gespräch verriet, gleichermaßen als Rückblick in die DAF-Ära, als auch als ironisches Statement zu aktuellen Independents-Trends wie der sogenannten „Neuen Deutschen Härte“ verstanden wissen möchte. „Das Stück ist als kleiner, süffisanter Einwurf gedacht. Die Ironie des Songs scheint allerdings nur Insidern erkenntlich zu sein.“

Aus langjährigen, eingeschworenen Deine-Lakaien-Insidern schien das Publikum allerdings zu einem nicht gerade kleinen Teil zu bestehen: Fast verdächtig still und andächtig lauschten die zahlreichen und erstaunlich betagten Zuschauer den Songs wie „Fighting The Green“, jubelten nach dem ausklinge des letzten Tones frenetisch bis hysterisch.

Selbst die Person, die wohl schon am meisten Konzerte überhaupt gesehen hat, hatte es mitgerissen: Bei den Zugaben, darunter „Dark Star“ und „Reincarnation“, fühlte sich selbst Deine-Lakaien-Entdecker und Chrom-Label-Chef Carl Erling, der dem Konzert ebenso wie der ex-Kraftwerk-Musiker Karl Bartos beiwohnte, animiert, seine Fäuste in die Luft zu reißen.

Timo Hoffmann

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