Als Musiker von Qntal und Deine Lakaien dürfte Ernst Horn den meisten ein Begriff sein, daß er nebenher aber auch Produzent und Komponist einiger ausgefallener Hörspiele und mittlerweile zweier Soloalben ist, geht zuweilen beinahe unter. Das erste dieser Alben, mit „The Skies Over Baghdad“ betitelt, setzte sich thematisch mit dem Golfkrieg auseinander und wird nun parallel zum aktuellen Werk „Johnny Bumm’s Wake“ erneut veröffentlicht. Bei JBW handelt es sich ebenfalls um ein Konzeptalbum, bei dem sich alles um die Beeinflussung des Menschen durch Massenmedien dreht. Besonderer Schwerpunkt liegt hierbei auf der Fernsehberichterstattung, wobei ganz besonders die deutsche Wiedervereinigung im Zentrum des Augenmerks steht. Nicht gerade zimperlich, jedoch immer mit einem Schmunzeln auf den Lippen werden deutsche Politiker, Sportidole und Fernsehgrößen durch gnadenlose Samplings entlarvt. Alles verbindend tritt immer wieder die Werbung in Erscheinung. Sei es durch Ankündigungen von Werbepausen, wie die von Lilo Wanders oder direkt durch Schnipsel eines wohl bekannten Nußnougatcreme Spots mit unser aller Boris. Weshalb er sich mit dieser Thematik befaßt hat, soll Horn doch am besten gleich selbst erläutern.
E.H.: „Die Problematik der Massenmedien interessierte mich schon seit langer Zeit. Der Einfluß des Fernsehens allgemein ist eine uralte Debatte. Der Begriff der virtuellen Realität kam so gegen Ende der 80er auf, weil die Leute gemerkt hatte, daß es da noch einen weitergehenden Eindruck gibt. Die Menschen begreifen ihre Wirklichkeit immer mehr nur noch aus dem Fernsehen heraus. Durch das Aufkommen der Fernbedienung schaut man sich einen Film nicht mehr durchgehend an, sondern „zappt“ umher. Dies hat einen entscheidenden Einfluß auf die Dramaturgie. Die Zuschauer müssen stets bei der Stange gehalten werden. Auch der Aufstieg der Privatsender, die mit einer ganz anderen Skrupellosigkeit an das Medium herangingen, tat da seinen Teil dazu. Mit der Wiedervereinigung kamen dann zusätzlich die „goldenen deutschen Jahre“ ins Bild, samt Einheitsgegröhle und großem Selbstbetrug. Da gab es dann natürlich jede Menge spannender Dinge, die man auf Video aufnehmen konnte, um sie später zu verarbeiten. Leider hat sich dies für mich sehr lange hingezogen, da ich immer wieder mit anderen Dingen beschäftigt war.“
Sonic: Dadurch, daß Alexander sein Solo-Album entwickelte, entstand also auch für Dich endlich der nötige Freiraum?
E.H.: „Ja, auch. Johnny Bumm gibt es aber eigentlich schon länger. Dazu entstanden bereits Sachen in den ersten Durstjahren nach Abbruch meiner Dirigentenkarriere, bevor es mit den Lakaien richtig los ging. Unter dem Decknamen Johnny Bumm habe ich so auch eine Kassette zu einem Wettbewerb an den Bayerischen Rundfunk geschickt. Das Tape hat dann prompt den ersten Platz gewonnen, mit dem darauf enthaltenen Titel „Wurstsemmeln“. Daraufhin hat sich auch eine Plattenfirma gemeldet, und wir haben gemeinsam eine etwas unglückliche Maxi-Single verbrochen. Die Sache verlief jedoch völlig im Sande, bis jetzt Johnny Bumm wieder erwachte. Die Pause, die nach der letzten Lakaien entstand, war durch mehrere Sachen bedingt. Zum einen Alexanders Solo Projekt, auf der anderen Seite aber auch einige private Dinge wie Hochzeit und Vaterschaft. Von daher war es klar, daß ich nur ein Projekt machen konnte, an das ich unverkrampft und ohne Terminplan oder sonstige Vorgaben herangehen konnte.“
Sonic: Wie kamst Du auf die gerade erwähnte Samplekombination, die dann auch noch rhythmusbildend fungiert, aus dem Wort „Wurstsemmln“ und dem Geräusch eines Rülpsers umgeben von einer niedlichen Kinderstimme?
E.H.: „Die Idee war, sehr gegensätzliche Sachen miteinander zu verbinden. Das war auf der einen Seite etwas sehr hübsches in Form meiner kleinen Nichte, die ganz goldig und niedlich singen konnte und auf der anderen Seite etwas sehr ekelhaftes. Dabei habe ich aber ein bißchen geklaut, muß ich ehrlich zugestehen. Ich habe nämlich irgendwann mal in einer Toilette, in Österreich glaube ich, unter sehr sehr vielen typischen Sprüchen eine Forderung nach mehr Wurstsemmeln gelesen. Das war der bisher abgedrehteste Klospruch, den ich je gesehen habe. So etwas merkt man sich seltsamerweise. Zu einer älteren Version des Stückes gab es sogar mal ein Video. Wir führten dafür das Ganze als Kasperltheater auf, wo dann das Krokodil rülpste.“
Und da soll noch mal einer sagen, die Musiker der schwarzen Szene hätten keinen Humor. Zumindest ein wirklicher Ausnahmekünstler beweist mit dieser für viele sicher sperrigen Produktion das Gegenteil. Selten hat jemand so geschickt Sound-Collagen erstellt, bei denen man sich vor Lachen krümmen kann, denen aber auch stets eine gewisse Ernsthaftigkeit zu Grunde liegt.
Text: Peter Heymann