Den Golfkrieg als ein Netzwerk von Assoziationen darzustellen, das war das Anliegen von Ernst Horn, der im Roxy vor nur 25 Besuchern seine Musikperformance „The Skies Over Baghdad“ inszenierte. Drei videobetriebene Fernsehschirme, ein Großaufgebot von Keyboards und Samplern und eine Reihe von akustischen, arabischen Instrumenten genügte, um den Raum in einen von Klängen umrankten Käfig zu verwandeln, dessen Phongitter den Besuchern immer näher an den Leib rückten.
Ernst Horn, der sein Projekt live um den Multi-Instrumentalisten Michael Popp erweitert hatte, gelang es, die Medienrealität in düsterer Art und Weise zu karikieren. Ungezählte Stunden der CNN-Liveberichterstattung hatte er mitgeschnitten, um nun den Golfkrieg als ein von Fernsehanstalten unterhaltsam eingerichtetes Computerspiel skizzieren zu können.
So vielschichtig wie das mediale Ereignis des vergangenen Jahres setzte Ernst Horn auch sein digitales Labor ein. Nach einem sanft choralen Beginn, der das Roxy in eine hallende Kathedrale verwandelte, erklang George Bushs Kriegserklärung im Tonfall einer Sontagspredigt zum „operativ“ eingesetzten Volkslied „Vom Himmel hoch, o Englein kommt“. Seine Sätze wurden verhackstückt, bis am Ende nur noch barbarische Worte wie „Destroy“ oder „Knock Out“ übrigblieben. Die arabische Sicht der heranfliegenden Raketen vermittelten rhythmische Perkussionsgewitter, die sich im Zusammenspiel mit Michael Popps Oud in ekstatischen Allahu akbar-Sprechchören verloren. Dann die schlagkräftigen Argumente von Preßlufthämmern, die von Panzern überrollt wurden. Anklänge des Synthie-Beats, den „DAF“ einst populär machten. Karneval an der Frankfurter Börse. Helau, heut wird ‘ne Mark gemacht. Eindringliche Soundbilder, erzeugt von Ernst Horn, der in seinem Keyboardcockpit alle Register, inklusive der alten Oszillatoren-Synthesizer, zog. Eine Techno-Attacke, die den Wüstensturm mit brachialer Gewalt aus den Boxen schleuderte.
Erholung gab’s nur, wenn Michael Popp seinen Bogen über die Saiten des Tambur strich und mit seinem arabischen Instrumentarium den Duft irakischer Bazare vermittelte. Nur kurz, dann wieder explosives Soundgemisch aus dem Sampler. Einstürzende Neubauten in Baghdad. „Art Of Noise“ für Hartgesottene. Live zensierte Talkshows, am Mischpult zu erstickenden Lauten verkürzt. Knallharte Rockbeats, und urplötzlich fiel triophonisch von hinten der Werwolf als verzerrter Phonschwall über die Besucher her. Digitale Schreckmomente, die mit dezenter Orgelmusik und altenglischen Madrigalen als finalem „Slow Down“ aufgelöst wurden. Ein intelligentes Midi-Werk ohne den anprangernden Beigeschmack von flackernden Ölquellen. Vielmehr eine zeitgenössische Bestandsaufnahme: knallhart und kalt wie Kanonenrohr.
Udo Eberl