Ernst Horn ist als Persönlichkeit die Bescheidenheit in Person. Dabei hat er die seit fast zwanzig Jahren bestehende Wave-Pop-Formation Deine Lakaien zu einer der wichtigsten Acts des Genres geführt und zu einem imponierenden Chart-Thema gemacht. Wie vielschichtig sein musikalisches Genie aber ist, hat er nicht nur mit seinen experimentellen, politisch geprägten Solo-Alben, sondern vor allem mit den echten Crossover-Projekten Qntal und Helium Vola eindrucksvoll dokumentiert. Dass das Mittelalter ein wunderbares Dancefloor-Thema sein kann, beweist einmal mehr die aktuelle Helium-Vola-Single „In lichter Farbe steht der Wald“.
Nachdem bereits sein früheres, bereits 1991 gegründetes Projekt Qntal mit „Ad mortem festinamus“ und dem „Palästinalied“ zwei erfolgreiche Club-Hits produziert hatte, bevor sich Ernst nach dem zweiten Qntal-Album von Michael Popp und Sigrid Hausen trennte, war auch die ähnliche Smybiose aus mittelalterlichen Texten/Gesängen und moderner Elektronik bei Helium Vola zunächst auf den dunklen Tanzflächen erfolgreich.
Die im Juni 2001 veröffentlichte Debütsingle „Omnis Mundi Creatura“ stürmte die alternativen Charts und legte den Grundstein für das im Oktober folgende Debütalbum. Auch „Veni Veni“, die Vorab-Single zum aktuellen Zweitwerk „Liod“, avancierte zum respektablen Club-Hit. Mit der Veröffentlichung des optimistischen Schlusssongs von „Liod“, „In lichter Farbe steht der Wald“, als Single mag man fast vermuten, dass Helium Vola mittelalterliche Klänge auf den Dancefloors etablieren möchte.
„Es ist tatsächlich so, dass ich am Anfang bei ‚Omnis Mundi Creatura‘ den Gedanken hatte, ob ich mit dem Projekt untergehe oder nicht“, lacht Ernst. „Inzwischen habe ich festgestellt, dass es für Helium Vola auch Anfragen aus dem Ausland gibt, auch aus Südamerika, was mich etwas erstaunt hat, aber ich habe festgestellt, dass es an den Clubs liegt. Was wir nicht über den Handel und die Radiopromo machen können wie die großen Bands, das geht bei uns über die Clubs. Insofern kann es nicht schaden, wenn man mal einen Clubhit drauf hat.“
Es wäre ohnehin verkehrt, würde man Helium Vola aufgrund der Single auf einen Mittelalter-Electro-Dance-Act reduzieren. Mit Sabine Lutzenberger, einer renommierten Sängerin mittelalterlicher Musik, frönt Ernst Horn eher seiner Leidenschaft für mittelalterliche Texte, die er in moderne elektronische Gewänder hüllt, aber eben nicht immer in tanzbare. Kontemplative Kompositionen haben sogar stets den Großteil der Songs auf den beiden Helium-Vola-Alben ausgemacht.
„Grundsätzlich fallen mir die schwermütigen, langsamen Sachen leichter. Das liegt mir einfach mehr. Speziell bei Helium Vola ist es aber auch nicht so schwierig, mal Dancefloor-tauglichere Sachen zu machen. Vom Stilistischen her liegt es bei den mehrstimmigen Sachen etwas nahe, rhythmische Sachen zu machen, wobei ich schon darauf achten muss, gerade beim Refrain nicht zu sehr in ein Klischee zu verfallen.“
Der konzeptionelle Rahmen, der bei „Helium Vola“ durch das Gedicht von Michel Houllebecq und bei „Liod“ durch die Sicht der mittelalterlichen Frau auf Themen wie Liebe und Tod gegeben war, fehlt bei der aktuellen 6-Track-Single, auf der der Titeltrack in einer clubtauglichen Dance-Version und einer entrhythmitisierten Lied-Version vorhanden ist. Dafür bot er Raum für vier neue Tracks, darunter die ungewöhnliche Coverversion von „Hold On“, ein Stück, das im Original 1967 von Sharon Tandy gesungen wurde und recht rockig ausgefallen ist.
„Es war mir schon klar, dass ich dieses Stück mit möglichst viel Gitarrenlärm versehen wollte. Ich habe immer auf Gitarrenmusik, vor allem auf Noise-Bands gestanden. Ich bin ein ganz alter Verehrer von My Bloody Valentine“, erzählt Ernst, der bereits dem frühen Qntal-Stück „Por mau tens“ einen ähnlichen Touch verlieh.
„Wir verstehen uns nicht unbedingt als Mittelalterband. Wir verwenden mittelalterliche Texte und interpretieren Texte, aber dazu gehört auch, dass wir jederzeit mal moderne Gedichte oder englische Texte nehmen oder auch musikalisch mal in eine andere Richtung gehen können. Das ist eine relativ offene Sache. Mit historischer mittelalterlicher Musik haben wir eigentlich gar nichts zu tun.“
Dirk Hoffmann