Release Information 1995
QNTAL (Frühwerk): Qntal II
Studio-Album
Eine kleine Liste von Reviews…
Image Hifi 1996
Einsame Meister allein auf weiter Flur: Michael Popp und Ernst Horn an enorm erfindungsreich eingesetzten Keyboards und altertümlicher Fiedel und die Sängerin Sigrid Hausen verleihen mittelalterlichen Texten aus der Carmina Burana, von Hildegard von Bingen oder Walther von der Vogelweide eine neue Klanggestalt, die nichts von dem akuten abgeschmackten Mittelalter-Romantizismus hat. Die wunderbare Stimme und alte berückende Harmonien, die elektronischen Klangcollagen und der dramaturgisch begeisternde, manchmal überraschende Umgang mit Rhythmik verbinden sich zu äußerst reizvollen leisen und auch kurzen heftigern Meditationen in die Klänge verschiedener Zeiten und Seelen. Qntal gelingt es wohl als einzigen der gern in Schwulst watenden Szene, pointierte Vorstellungen davon anzuregen, was uns die geistige Wendezeit des Mittelalters heute sagen könnte. Und das mit Gänsehaut-Gefahr.
Visions 1996:
„Gangmitglied“ (deutet auf seinen Halskettenanhänger in Form einer Maschinenpistole): „Das ist das Symbol dafür, daß ich immer bereit bin. Es ist eine Mac-10 Uzi - Gebrauchsgegenstand.“ Schon Qntals Erstling war ein grenzüberschreitendes Werk, wie es in dieser Form noch kein zweites gegeben hat. „II“ spannt den Bogen von mittelalterlichen Gesängen, Geisterbeschwörungen, Tänzen und Liedern über den Krieg bis zur explitziten Gegenwart: Lyrik, Auszüge aus „Carmina Burana“ und Zitate aus den L.A.-Riots von 1992 werden zu einem textlichen Konzept über epochenübergreifende Gewalt verknüpft. Musikalisch verbindet sich Sigrid Hausens zarter Sopran mit den von Michael Popp und Ernst Horn (Deine Lakaien) entwickelten Kompositionen. Diese beschränken sich jedoch, obwohl ihnen untergeordnet, keinesfalls auf rein klassische Arrangements, sondern formen aus schweren TripHop- und intelligenten Dance-Rhythmen, sphärischen Soundgebilden und gelegentlichen Industrial-Einflüßen eine zartseidene Legierung. „Jugendlicher“ aus Los Angeles, 1992: “ Die Dinge werden sich nie ändern.“ Ein Satz, über den es sich nachzudenken lohnt.
Notes
Gespannt waren wir, was Qntal nach dem grandiosen Erstling mit dem Überstück Ad Mortem festinamus als Zweitling vorlegen werden und ob sie den hohen Standard halten können. Und: Sie halten nicht nur den Standard, sie übertreffen ihn noch! Qntal II setzt erneut Maßstäbe, was das Umgehen mit mittelalterlicher Musik angeht. Ich habe noch von niemandem dermaßen spannende Bearbeitungen alten Liedguts, bzw. überlieferter Texte gehört, mein Wort: Besser kann man es nicht machen. Ob sie sich das Palestinalied des Walther von der Vogelweide vornehmen und unter Sigrid Hausens klassisch ausgebildete Stimme und Michael Popps und Ernst Horns faszinierende Elektronik einen HipHop-Beat legen, ob sie im schönsten (und tanzbarsten) Stück Frühling aus der Carmina Burana vorwärtstreibende EBM-Beats in kirchenorgelhafte Harmonien auflösen, ob sie nun Soundexperimente anstellen, sich auf reduzierte Rhythmik konzentrieren, Sprachsamples einspielen, traumhaft melancholisches Liedgut verarbeiten ( Herbst von Konrad von Würzburg aus dem 13. Jahrhundert - herrlich!), immer schaffen sie das eigentlich Unmögliche: Sie verbinden den Zauber unserer Vergangenheit mit der Faszination heutiger hochaktueller Klangmöglichkeiten. Sigrids brillante Ctimme bringt die mittelhochdeutschen, altfranzösischen und lateinischen Texte absolut authentisch zum Klingen, das Virgo splendens aus dem Codex Llibre Vermell der Hildegard von Bingen beispielsweise singt sie geradezu überwältigend. Die Herren Horn und Popp tun das, was sie tun müssen (und besser können als jeder andere auf der Welt): Sie entwerfen Soundgemälde, mal minimalistisch-schwarz/weiß, mal fast orgiastisch in der Fülle der Farben, die die Stimmung jener alten Texte hörbar machen. Qntal schlagen auf diesem Album auch und nicht zuletzt einen Bogen in die Jetztzeit, wie es sich damit verhält, das sollte jeder für sich selbst herausfinden, wir können hier ja nun nicht alles verraten.
- Introitus
- Palästinalied
- Frühling
- Hymni Nocturnalis
- Vos Attestor
- Herbst
- Abaelard
- Virgo Splendens
- Trobar Clus
- Sine Nomine
- Ab Vox d'Angel
- Epilog