Bereits mit ihrem im Februar 1997 veröffentlichten Debütalbum “Ma Non Troppo” haben Boris Benko und Primoz Hladnik alias Silence bewiesen, dass man sich auch auf intelligente, erfrischend neue Herangehensweise des 80er-Jahre-Erbes nähern kann, um ihm selbst Ende der 90er noch neue Aspekte abzugewinnen. Mit seinem neuen Album „Unlike A Virgin” (Chrom Records/EFA) hat das Duo aus Ljubljana seiner Experimentierfreudigkeit noch mehr Freiheiten gegönnt und eine stimmige Melange aus klassischer Synthi-Pop-Tradition, kraftvollem Wave und modernem TripHop kreiert.
1994 schon haben Comiczeichner Benko und Pianist Primoz beschlossen, die zuvor durch auch hierzulande bekannte Bands wie Laibach und Borghesia kulturell belebte Szene Ljubljanas zu bereichern. Allerdings waren die beiden Electro-Freaks selbst noch sehr jung, als Laibach begannen, ihr undurchsichtiges künstlerisches Programm zu verbreiten.
“Als elf- und zwölfjährige Teenager haben wir Laibach und Borghesia zum ersten Mal gehört. Ja, man kann schon sagen, dass die beiden Gruppen Eindruck - vor allem Laibach - ziemlich großen in der Zeit auf uns gemacht haben”, blickt Primoz zurück. “Laibach waren damals eine Art Tabu, so fanden wir sie noch `leckerer´. Durch die Systemveränderung wurden sie aber leider nicht mehr so interessant. Wir waren damals noch zu jung, um Kontakt zu dieser Kunstszene haben zu können. Wir sind aber heute sehr stolz darauf, dass Laibach unsere Musik sehr schätzen.”
Dass Silence letztlich zu einem ganz anderen musikalischen Ausdruck gekommen sind, lag wohl in erster Linie daran, dass sie in ihrer Jugend mit einer ganz anderen Art von Musik groß geworden sind. “Wir sind mit Synth-Pop aufgewachsen. Es ist aber schwer zu sagen, was wirklich so beeindruckend war”, versucht sich Primoz an die frühesten Einflüsse zu erinnern.
“Wir haben die Musik einfach geliebt. Rock-Musik und Gitarren waren nicht unser Ding. Als eine analoge Orgie im Radio lief, begann das Herz einfach schneller zu schlagen.”
In den ersten Jahren konzentrierten sich Silence voll auf das Komponieren von Songs, da ihnen noch nicht die Möglichkeiten zu einer Plattenaufnahme zur Verfügung standen. Ihr Beitrag (“The Girl Of My Best Friend”) zu einer slowenischen Compilation aus Elvis-Presley-Coverversionen erweckte auf einmal internationales Interesse und verschaffte der Band einen Vertrag mit Chrom Records. Während das von Peter Penko (April Nine, Laibach, Coptic Rain) produzierte Debütalbum “Ma Non Troppo” noch von der Verbindung aus melodischem Synthi-Pop und modernen Club-Sounds bestand, haben Silence auf ihrem neuen Album nicht nur ihre Scheu vor Gitarren abgelegt, mit denen sie auf “Unlike A Virgin” einen leichten Crossover-Touch erzeugen, sondern ihre Vorliebe für analoge Synthi-Sounds und eindringliche Pop-Melodien mit modernen TripHop-Beats untermalt.
“Die Entwicklung der Drum’n’Bass-Szene ist auf jeden Fall sehr interessant. Es ist aber wahr, dass heutzutage alles erlaubt ist, alles ist ,in‘. Es ist also eigentlich schwer, von einer spezifischen musikalischen Entwicklung zu reden. Das ist aber auch gut. Wir haben so beim Komponieren völlig freie Hände. Wir hoffen sehr, dass dir das Jodeln auf dem dritten Album gefallen wird”, meint Primoz, der das Musikmachen tatsächlich noch als Spaß betrachtet und seinen Sinn für Humor entsprechend auch in die Musik mit einbringt. In den vor Experimentierfreudigkeit, Kompositionsgeschick und Spritzigkeit sprühenden Songs von “Unlike A Virgin” kommen Streicher (“God Forsaken Country”, “4-2”) ebenso vor wie krachende E-Gitarren in der Vorabsingle “Son Of Sin” oder bei “Scream, Greeneyes”, aber es sind vor allem die vielschichtigen Beats mit Club-Appeal, die das Album so interessant machen.
“Da die meisten unserer Songs auf 120 bpm basieren, ist es schwer, daraus z.B. Jungle zu machen. Das einzige, was uns übrig bleibt, ist die Loops in Slowmotion zu bringen. So ist TripHop keine bewusste Entscheidung. Das Physikgesetz spielt hier eine viel wichtigere Rolle.”
Welchen Gesetzen das dritte Album folgen wird, steht derzeit noch in den Sternen, aber hoffen wir mal, dass wir von den angekündigten Jodel-Orgien verschont bleiben…
Dirk Hoffmann