VELJANOV - The Sweet Life
Zillo Feature (Mai 2001)

DIE UNERTRÄGLICHE LEICHTIGKEIT DES SEINS

Zugegeben… Soloprojekte sind zumeist eine äußerst diffizile Angelegenheit - und wenn man(n) dann noch eine so prägnante Stimme wie Alexander Veljanov hat, macht das die ganze Aktion nicht eben leichter. Als Frontmann der Band Deine Lakaien gelangte der gebürtige Mazedonier schnell an die Spitze der (schwarzen) deutschen Kultbands. Wohl wissend, daß es wichtig ist, sich selbst bei all dem Hype um die Band nicht aus den Augen zu verlieren, veröffentlichte Alexander Veljanov 1998 seine erste Solo-CD „Secrets Of The Silver Tongue“ und wandelt dieser Tage mit „The Sweet Life“ zum zweiten Mal auf Solopfaden.

Entstanden ist ein samtschweres Album, das völlig anders klingt als sein Vorgänger und dabei- zwangsläufig - immer ein bißchen an Deine Lakaien erinnert. „Es ist als Sänger natürlich unheimlich schwierig, daß die Solosachen dann anders klingen. Meine Stimme ist nun mal sehr prägnant und wird auch immer gleich identifiziert und erkannt und die Stimme kann man nicht austauschen - tja, was macht man dann, wenn man solo arbeiten will? Als Sänger einer erfolgreichen Band, der ich nun mal bin, hat man eigentlich gar keine Chance, zusätzlich was als Sololist veröffentlichen zu können. Ich hatte das Glück, wobei das erste Soloalbum ohne jeglichen Plattenvertrag entstanden ist. Nach einer intensiven Lakaien-Phase mit Veröffentlichung, Tournee und Festivals ist man schnell an dem Punkt, wo man sich klar wird, daß man nicht gleich wieder das neue Lakaien Album angehen kann. Da waren Ernst (Horn, Lakaien-Mitstreiter) und ich uns auch immer einig, und haben einfach in dieser Phase einfach jeder was eigenes gemacht. Es ist ja schon ein bißchen außergewöhnlich, daß eine Band 15 Jahre zusammen arbeitet und sich dabei nicht verschleißt und wiederholt und eben auch nicht jedes Jahr ein Album auf den Markt schießt. Durch unsere Sideprojekete bleiben die Lakaien lebendig.“

Aber wir wollen ja nicht von den Lakaien reden, auch wenn die Grenzen zwangsläufig verwischen und Alexander Veljanov immer wieder von der guten Zusammenarbeit mit Ernst Horn spricht. Man versteht sich im Schlaf nach einer so langen Zeit der Aufs und Abs, der gemeinsamen Träume und immerwährenden Kämpfe um Anerkennung, gerade über die Grenzen der schwarzen Szene hinaus. „Ich weigere mich, von gewissen Medien als Klischee-Gruftie abgestempelt zu werden. Genau das ist der Kampf, den die Lakaien seit Jahren führen. Und es sind ja nicht nur wir, die gegen das Vorurteil angehen, daß diese Szene völlig blind und in sich selbst verblödet im Untergrund vor sich hin lebt. Das stimmt ja überhaupt nicht. Ich meine: 100.000 Käufer - ob das jetzt Wolfsheim ist oder Lakaien oder Pitchfork, meines Erachtens drei völlig unterschiedliche Bands, die aber mit einer Szene in Verbindung stehen und nach außen auch immer so gesehen werden… Aber wir haben doch ein Recht auf Plätze in den Medien, egal ob das öffentlichrechtliche Sender sind oder Private - sie leben alle vom Konsumenten und der bestimmt doch, was in den Medien kommt.“ Veljanov hat eine Passion und man spürt deutlich, wie sehr ihm die Anerkennung seiner Musik am Herzen liegt. Dennoch: Der Konsument ist einfach unglaublich beeinflußbar.

„Eben“, Alexander redet sich in Rage, „und warum sollte er nicht auch die Chance bekommen, mal andere Musik zu hören - auf Viva oder sonst wo. Es ist mir scheißegal, ob vor mir Backstreet Boys oder nach mir Zlatko oder was auch immer für eine Scheiße läuft. Ich will mich positionieren, ich will kämpfen für diese Art von Musik - für anspruchsvolle Popmusik.“

Auch wenn das neue Album „The Sweet Life“ ein grundromantisches Werk geworden ist, bei dem sogar die Promo auf den Tenor „Liebe, Lust und Leidenschaft“ baut („Tatsächlich?“ Er grinst ein bißchen verlegen und sagt dann: „Ja stimmt schon, es voller Lust und Liebe und Leidenschaft, klar, aber das ist ja auch das Leben, mein Leben besteht aus Liebe, Lust und Leidenschaft… Das sind doch die Ziele, die einen am Leben erhalten, sonst ist man ja tot.“), wirkt doch die Grundstimmung des Albums auf mich persönlich immer noch melancholisch.

„Klar, ich habe eben ein slawisches Timbre und das klingt nun mal eher melancholisch und düster.“

„Dedicate Your Life To Tenderness“ singt Veljanov in einem Song und ich wundere mich über die unglaublich gefühlsbetonte Ader, die sich da erkennen läßt. „Wie kann das sein“, frage ich ihn, „daß da soviel Glaube an das Gute drin steckt? Das Leben ist nicht zart und zärtlich, das Leben ist eigentlich immer nur Kälte und du mußt dir wirklich deine Nischen suchen, in denen zu Wärme findest…“

„Aber“, beginnt Alexander Veljanov und ich freue mich über den Enthusiasmus, mit dem er mir seine Gedanken nahe bringen will, „…ich sing doch über „the sweet life“, weißt du, was ich meine? Die Musik ist doch das Ventil - ich bin schließlich Musiker geworden aus Angst vor der Härte des Lebens. Das Leben ist schrecklich, man wird geboren, um zu sterben. Ja, allein diese Tatsache könnt einen doch in den Selbstmord treiben, wenn man die Idee, diesen Wahnsinn, daß man einfach nur da ist um zu verfallen, realisiert…“ Er trommelt auf den Tisch, wie um seiner Energie Raum zu schaffen und seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Es scheint ihm wichtig, den Hintergrund und Glauben seiner Musik zu vermitteln. Aber das stimmt ja nicht. Was wirklich zählt ist eben das Innere, das Unsichtbare, die Seele und die wächst ja immer mehr - je älter ein Mensch wird, desto wertvoller kann die Seele werden, was er geben und weitergeben kann, nur die Hülle verfällt und wird immer älter. Und Musik ist eben was, das überleben soll. Natürlich ist es ein bißchen überspitzt „The Sweet Life“, aber diese Textzeile in dem Song, „dedicate…“ ist ironisch gemeint. Schön wär’s, wenn das Leben nur aus Zärtlichkeit, Leidenschaft und all diesen schönen Dingen bestehen würde… Wobei ich denke, der Musik kann man das schon geben: Die Leute nehmen Musik ja auch als Gefühlskatalysator.“

Aber ist das nicht eigentlich nur eine Seifenblase?

Alexander reagiert fast entrüstet. „Nee, das ist doch keine Lüge!“ „Aber ein Traum“, gebe ich zu bedenken. „Stimmt schon, aber jeder rennt ihm hinterher und viele finden ihn dann auch, zumindest zeitweise oder für ein ganzes Leben. - Also ich bin sehr glücklich… - Vielleicht ist deshalb das ganze Album so voller Harmonie. Ich bin so entspannt, so zufrieden in meinem Leben, hab so viel erreicht, was ich immer erträumt habe. Musiker zu sein, über so’ ne lange Zeit ohne sich zu verbiegen, das machen zu können, was einem das Schönste ist im Leben: Singen. Ich wollt’ schon Sänger werden, seit ich so war“ - er hält die Hand auf Hüfthöhe - „aber die Gesellschaft sagt dir immer: Oh, bist du verrückt, du spinnst… Dann hab ich natürlich auch studiert, aber der Traum ist in Erfüllung gegangen - das muß man doch weitergeben! Es kann klappen!!! Leidenschaft zum Beruf machen ist ein Privileg, das viele nicht haben - deshalb geb’ ich diese Erfahrung weiter und jeder kann damit machen, was er will. Sich fallen lassen oder positiven Schwermut empfinden, so wie du gesagt hast; andere ziehen vielleicht ganz optimistische Gefühle aus dem, was sie da hören… Wo war ich?“

Er hat sich ein wenig in seinem eigenen Plädoyer für das Lebensglück verloren und das find ich ungemein sympathisch. „-Ach ja. Es ist nicht nur ‘ne Blase, das Leben an sich ist natürlich grau, aber man muß das Schönste draus machen. Wenn sich nur jemand einen Abend wohlfühlt mit meiner Musik, ist das schon ein wahnsinniges Kompliment… Es sind einfach meine ganz ehrlichen Gefühle und wenn’s mir gut geht, warum soll ich das nicht weitergeben? Klar, es sind auch ernstere Titel drauf, „Seraphim“, „Fly Away“, schon auch Themen, wo es vom Dunkel ins Hell geht.“
Da hat er Recht, wobei es eigentlich bei allen Songs auf der Scheibe so ist, daß es am Schluß noch mal eine Wendung zum Licht hin findet. „Ja, jaaa!“ Veljanov freut sich, daß ich’s gerafft hab. „Das ist doch das Schöne, nach hinten das Licht noch mal zu zeigen.“

So abwechslungsreich, wie ich es gerade über das Leben gelernt habe, gestaltet sich auch die musikalische Seite von „The Sweet Life“ - nachdem Kollegen dem Solo-Debüt einen unüberhörbaren Western-Touch bescheinigt haben, zeigt sich “ The Sweet Life“ elektronischer, verspielter…

„Ich habe eben entdeckt, daß es noch Sparten in der Musik gibt, die bei den Lakaien einfach auch keinen Platz haben, weil es nicht in die Ästhetik paßt. Auf diesem Album sind Songs aus den 30ern, 40ern und 50ern drauf, die vom Gefühl her wunderbar in diese Stimmung passen. Die Musikgeschichte fängt nun mal nicht 1980 an. Und das will ich auch jungen Leuten zeigen.“ Vielseitigkeit als Programm. Allerdings scheint es heutzutage gerade innerhalb des Underground richtiggehend uncool zu sein, Offenheit gegenüber anderen Musikstilen an den Tag zu legen, beobachte ich immer wieder und finde das genauso blöd wie Alexander Veljanov.

„Ja, dann bin ich uncool. Sorry. Musikerkollegen, die für mich interessant sind, sind immer Leute, die überhaupt keine musikalischen Schranken im Kopf kennen. Und mein Album wär damit auch gar nicht entstanden - es waren Leute, die aus dem Jazz kommen genauso beteiligt wie Leute aus der Szene, aus dem Dance- und dem HipHop-Bereich. Man hört dem Album weiß Gott nicht an, woher die Leute kommen, die da spielen und es ist auch völlig egal - Hauptsache, sie haben ein Gefühl für gute Musik. Hinter all der Oberfläche steckt immer der wahre Kern der Musik, die Stimmung, der textliche Inhalt und die Qualität der Komposition eines Songs. Ob das in dem oder dem Style verpackt ist, ist doch völlig egal… Oft sind in der Subkultur, egal ob im Crossover, Hardcore, Metal oder Darkwave die Verpackung und der Style viel wichtiger als Inhalt und wirkliche Substanz. Dagegen kämpfe ich an, qualitative Musik kann auch szenekompatibel sein, muß aber nicht in einer Szene bleiben. In unserem Publikum sind Zuhörer zwischen 16 und 60 - wenn irgend jemand meint, es sei nicht cool, neben einem Menschen im Konzert zu stehen, der sein Vater oder seine Mutter sein könnte, tut’s mir leid. Dann sollen sie in den Szene-Club gehen. Musik ist mittlerweile oft nur noch ein Fashion-Item; Lack, Leder und der richtige Song dazu. Sorry, aber den Kunden bedien ich nicht.“ Klare Worte.

Neben den genannten Gastmusikern und natürlich Veljanov selbst war David Young, den er schon seit etwa zehn Jahren kennt, maßgeblich an der Entstehung des Albums beteiligt. „Ich hab schon oft mit David gearbeitet, aber noch nie mit ihm zusammen Songs geschrieben - wenn, dann war er immer nur Produzent oder Livemusiker - und diesmal war eben die Grundidee da, daß man das Soloalbum ganz reduziert auf uns beide…“ Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen? „Es hat einfach von Anfang an wunderbar funktioniert, wir haben im Frühjahr angefangen, die Songs über den ganzen Sommer entwickelt und dann in London das Gerüst gestrickt, die ganzen Computersachen und sind dann endgültig im Herbst ins Studio in Berlin. Ich war oft in London, und zwischendurch immer wieder in Berlin und konnte dort weiterarbeiten an meinen Parts. Sowohl in Berlin als auch in London haben zusätzlich Musiker eingespielt - es war eine sehr offene und ein bißchen komplizierte Arbeitsweile. Eine unglaubliche Herausforderung an die Techniker.“

Die ihre Aufgabe gut gemeistert haben, denn trotz der Unterschiedlichkeit der Songs ist „The Sweet Life“ er rundes, fließendes Werk geworden. Auffällig ist der Song „Black Girl“, ein altes Sklavenlied, das viele schon als Nirvana-Version unter dem Titel „Where Did You Sleep Last Night“ kennen werden. „Lead Belly hat das in den 30ern eingesungen. Ich kannte die Nirvana-Version gar nicht, sondern hatte eine Aufnahme von 1937 gehört, auf der nur eine völlig verstimmt Gitarre, Fußstapfen und ein jaulend-singender Sklave zu hören ist, den man wirklich kaum versteht. Wir haben dann die Passagen rausgenommen, die uns wichtig waren und herausgekommen ist ein Song, der von dem Original unglaublich weit weg ist. Ein anderer Kosmos. Wobei… Alleine der Original-Titel „Black Girl“ -, ich dachte am Anfang echt, das kann ich nicht machen. Veljanov singt „Black Girl“, allein der Titel ist Klischee hoch 10, wobei es im Sinne des Originals natürlich nicht um die Sache geht, die alle damit assoziieren…“ Na das sollte doch spätestens klar sein, wenn man um den Ursprung des Titels weiß.

Wir sind uns einig, was sich aber eine Sekunde später abrupt ändert, nämlich in dem Augenblick, als ich ihm sage, daß ich einige Sounds in den Titeln „Town By The River“ und „Chains Of Steel“ typisch dicomäßig finde und die mich sogar an die 80er-Revival-Welle a la Kylie Minogue erinnern. Alexander kann es nicht fassen. „Echt??? Chains Of Steel?“ Er lacht entsetzt. Er faßt sich und ist trotzdem sichtlich irritiert. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie Leute Musik empfinden. In jedem Interview gibt es andere Beurteilungen. „Fly Away“ zum Beispiel haben einige als Rock und andere als Ballade empfunden. Chains ist für die einen klassischer 60ies-Pop , andere sagen: Das ganz große Gefühl! Das ist glaub ich sowieso ein mutiger Titel, weil ich da an die Grenzen dessen gehe, was ich als Person musikalisch anbieten kann. Für mich ist es der große 3 Minuten Popsong mit viel Gefühl und großem Orchester, er war eine schöne Herausforderung für David und mich, weil es für uns beide völlig fremd war. Viele werden sagen: Es ist nicht düster, was soll das? Das Album ist voller Widersprüche, aber ich hör trotzdem immer wieder, daß es total homogen und stimmig im Ganzen klingt“ Wohl wahr.

Als ich erzählte, daß das „Lied Vom Einsamen Mädchen“, das Veljanov zum ersten Mal auf einer Nico-Scheibe hörte, die - Zufälle gibt’s! - David Young mitproduziert hatte, für mich wie ein Märchen klingt, war Alexander (hoffentlich) wieder versöhnt, denn das war für ihn ein Kompliment. „Es ist sicher das traurigste Lied auf dem Album. Ich wollte nicht, daß es die Gruft ist. Ich wollte, daß es faszinierend ist, so wie Kinder beim Märchen hören nicht nur Angst haben. Einsamkeit ist ja nicht nur negativ, es hat ja viel mit Selbstreflexion zu tun und mit Besinnung, in sich gehen und Nachdenken.“ Er erzählt lange von Nicos Leben und der Faszination, die „die Göttin der Gruft-Szene“ auf ihn ausübt. Das Lied ist gelungen und die Angst, die er hatte es ( Als Mann! Auf deutsch!) mit den Interpretationen von Hildegard Knef, Marlene Dietrich und - vor allem - Nico aufzunehmen, war unbegründet.

Deutsch gesungen hatte Veljanov bisher nur den Lakaien-Song „Lass mich…“ und „die Nummer war ja ganz speziell und mehr ein Spiel…“ Weniger Probleme hat er damit, auf mazedonisch zu singen, so auch auf „The Sweet Life“ geschehen und zwar in Gestalt des Songs „Blag Zhivot“. Was 50% der Hörer nicht erkennen - versichert mir Alexander charmant, denn auch ich habe es nicht gemerkt - ist, daß „Blag Zhivot“ original der selbe Song ist wie „The Sweet Life“, nur eben auf mazedonisch und völlig, wirklich völlig anders arrangiert als der Titeltrack. Nicht nur die orientalisch anmutenden Arrangements, sondern auch der mystische Sog der rauhen Sprache macht das Lied besonders. Welche Rolle spielen Sprache und Texte für Veljanov selbst?

„Ich weiß aus so vielen Briefen und Gesprächen mit Fans, daß die unsere Texte regelrecht sezieren. Viele bitten darum, unsere Texte mal zu übersetzen, aber ich mach das nicht. Ich kann natürlich nur für meine Texte sprechen, nicht für Ernst’s. Meine Texte sind sehr metaphorisch, sehr vieldeutig, und nur ich weiß, was ich wirklich sagen will. Wobei… Manchmal weiß ich selber gar nicht mehr wirklich, was ich am Anfang eigentlich gedacht hab, bevor der Text dann auf den Weg gegangen ist und sich entwickelt hat - aber wenn ich dann ganz im Internet liebevoll gemeinte Übersetzungen lese, denk ich oft, oh nein, das ist ganz falsch verstanden oder es sind einfach grobe Übersetzungsfehler drin. Aber was soll’s, es ist ja schön, daß die Leute die Texte so ernst und wichtig nehmen und sich hinsetzen. Und sie singen alle dann auch mit.“

In einigen Interviews wirft man Veljanov im Lakaien-Kontext Distanziertheit und Kühle gegenüber den Fans vor. Ich erlebe ihn anders. Ein Mann, der weiß, was er kann und erreicht hat und zu Recht stolz darauf ist, dabei aber auch zu eigenen Schwächen und Ängsten zu stehen scheint und mir ohne Arroganz oder Vorbehalte entgegentritt. Wie geht man mit solchen Vorwürfen um?
„Es gibt zwei Kategorien von Sänger: Du bis arrogant und wirst angehimmelt oder du bist ein netter Typ, Kumpel-Bap-mäßig. Ich hab festgestellt, daß gerade die die größten Zicken sind, die so’n supernettes Kumpelimage haben, während Menschen, die schüchtern und bescheiden sind, gerade weil sich auch sehr künstlerisch auf der Bühne sind und ne Figur darstellen, immer dieses arrogante, durchgeknallte, drogensüchtige Image haben. Damit muß man leben. Ich war ja immer ein bißchen Schauspieler. Aber daß ich nicht herzlich zu den Fans sei…? Es gibt Abende, da ist nur die Musik wichtig, ich bin nicht der Typ, der da Tanzschrittchen macht und Shake-Hands. Mag sein, ich bin da konservativ, aber ich find schon, daß die Distanz wichtig ist. Ich schätze sehr, was von unten hochkommt, aber daß mir Leute an den Beinen rumzubbeln ist nicht meins, da wird man so zum Objekt. Nimm „Love Me To The End“… Wenn ich unten sehe, wie zwei Menschen quasi verschmelzen, ist das für mich ein viel schöneres Gefühl, als wenn jemand alleine versucht, das Gefühl in mich als Person zu projizieren. Klar, das passiert natürlich oft, Sehnsucht wird durch Musik gestillt und als Sänger ist man die Projektionsfläche. Aber ich hab das nie unterstützt, hab immer ganz bewußt eine Grenze gezogen.“

Im Booklet der CD präsentiert sich Veljanov geheimnisvoll und erotisch, das Album wirkt sehr durchgestylt und edel. Wie wichtig ist das Visuelle? „Ich finde es schon wichtig, daß eine CD so aussieht wie Musik klingt - daß man nicht nur sagt, das ist jetzt nur eine Plastikverpackung und das war’s . Deshalb hab ich zum ersten Mal mit einer Stylistin, Sibille Pavenstedt, gearbeitet. Dazu kam der Fotograf Markus Rock, der vor allem in Paris und den USA in der Mode und Musikbranche arbeitet… Das ist alles sehr edel geworden,“ gibt er mir recht, “ und auch ein bißchen gewagt, find ich. Das ist mit einem Augenzwinkern zu sehen, soll aber eben auch ein Statement sein.“

Und? Hat er durch Fotoserie, Stylistin und Videodreh sein Divenpotential entdeckt? Alexander Veljanov denkt einen Moment nach, bevor er antwortet: „Die Frage ist: Wer ist man. Es ist schon schön zu hören: „Der ist normal geblieben“, auf der anderen Seite ist es ein bißchen nervig, nicht als das wahrgenommen zu werden, was man eigentlich in dieser Situation ist. Wenn ein Video für mich gedreht wird, ich der Hauptprotagonist bin und es wirklich nur um mich geht und ich merke, manche Leute nehmen mich nicht für voll, weil ich nicht genug rumzicke, dann denk ich mir schon, eigentlich müßte man zicken. Man darf sich als Person nicht so wichtig nehmen, wohl aber die Funktion, die man erfüllt. Aber Divenhaftigkeit… ich muß sagen…“ (er trommelt schon wieder auf dem Tisch rum) „…manchmal muß man ein bißchen so sein, nach Konzerten zum Beispiel, wenn man ausgepowert ist, einfach nicht mit jedem Fan reden kann: Dann mußt du klar das Arschloch sein. Oder davor, da muß ich mich auf mich konzentrieren, auf meine Musik, mich einsingen und so, bin nervös und hab Lampenfieber - das kommt dann eben so Superarrogantes-Arschloch-mäßig rüber, aber die Leute sollten sich da mal rein versetzen. Man ist nicht immer nur der Popstar…“

Sicher nicht, denn Alexander Veljanov trennt sein Privatleben sehr strikt vom Beruf. Umso verwunderlicher, daß er seinen höchsteigenen Namen als Titel für sein Soloprojekt gewählt hat. „Ein Pseudonym wär doch sofort aufgeflogen. Aber - hmm - vielleicht hab ich aus diesem Grund auf den Alexander verzichtet.“ Er grinst. „Obwohl… Ich bin natürlich auch ein eitles Schwein und sehe meinen Namen gerne auf CDs. Mir ist schon klar, daß das ein Widerspruch ist.“ Klingt menschlich und realistisch, denn eine CD mit dem eigenen Namen drauf würde wohl jeder toll finden. „Trotzdem gibt es nichts Schlimmeres für mich, als prominent zu werden, aber ich glaub, daß passiert nur, wenn man sich selbst zu wichtig nimmt. Ich bin nicht auf die Berühmtheit angewiesen. Wenn’s nicht mehr läuft, läuft’s halt nicht mehr.“ Obwohl der Verzicht auf jubelnde Fans sicher nicht leicht wäre, glaub ich ihm. Aber wie Veljanov schon selbst sagt: „Ich kann ja auch was anderes“ Ohne Deine Lakaien gute Alben machen, zum Beispiel. Nette Gespräche führen. Und ganz sicher auch ein Buch schreiben - irgendwann mal… Vielleicht… … Um nur einige Dinge zu nennen.

Tania Krings

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