Studio-Album
Veröffentlicht: 2000
Während alle noch auf der „Neue Deutsche Härte“-Welle mitfeiern, ist Stendal Blast bereits weiter: Mit diesem Album klingen sie erwachsener, ruhiger, wieder eine Spur elektronischer. Auch die Texte sind weniger kryptisch, sondern persönlicher, mit einem guten Schuss Selbstironie.
Dieses Album ist hell und laut wie der Morgen, genauso ernüchternd wie schön, zum Kotzen ehrlich und dabei doch so verklärt, wie um 6:30 Uhr vom Thekenhocker abzusteigen, kurz die Welt zu umarmen, um dann den Rest des Tages Affenträume zu träumen.
Hart an der Grenze zwischen Lust („Wunderland“), Irrsinn („Wo führt das hin?“), Pamphleten („Das ist nichts!“) und alltäglichen Momentaufnahmen („Im Morgenrot“) jongliert Kaaja Hoyda uns und sich durch die Unverständlichkeiten des Lebens, versucht, seiner Liebe zu alledem Ausdruck zu verleihen und am Ende zu beweisen.
Für den traurig/schaurigen Moment der Platte („Keine Wahrheit“) konnten zum einen den früheren DEINE LAKAIEN-Geiger Christian Komorowski sowie Johannes Matthias, Mitglied des Leipziger Thomaner Knabenchors, ins Studio gelockt werden.
„Schon der Opener „Im Morgenrot“ mit seiner süffisanten Disco-Attitüde und dem genialvorgetragenen noch genialeren Text („Wir wollen lieben wen wir wolln…“) avancierte bei mir sofort zur Gute-Laune-Hymne. Ruft mich an und mein AB schmettert es Euch entgegen.“ (Text und Ton)
„Pflichtkauf“ (Sonic Seducer)
„Ein realistisches Stück Antikunst…“ 9/10 Punkte (Orkus)
RADIO GOETHE, Goethe Institut, San Francisco
RADIO GOETHE, Goethe Institut, San Francisco “Morgenstund hat Gold im Mund”... so sagt zumindest eine alte Volksweise. Doch Kaaja Hoyda, Sänger und Songschreiber von Stendal Blast, hat wohl beim Aufwachen eher einen öden Geschmack im Mund, so wie ihn einst Gerhard Polt in “Man spricht Deutsch” nach dem Tauchen hatte. “Morgenrot” heißt die dritte Scheibe der Gelsenkirchener Combo und wie die beiden Vorgänger ist das ein Spiel ohne Grenzen. Sarkastische Texte über Beziehungen und deren Auswüchse, musikalische Untermalungen, die mal komplex, mal direkt wie ein Brett, mal ganz banal sind. Stendal Blast sind nur schwer in Worte zu fassen, sie lassen sich nicht so einfach einordnen und das ist auch gut so. “Morgenrot” ist ein Album, das durchtränkt ist von Alltagsbeobachtungen und einem Soundgemisch der letzten zehn Jahre. Was mich an dieser Band so begeistert ist, dass sie viele fast vergessene Bilder für mich mitbringt. Sei es die Rappelkiste, sei es eine peinliche Liebesbeziehung, sei es der Irrsinn einer normalen Stadtrundfahrt. Es lohnt sich, die Texte von Stendal Blast zu lesen, denn darin ist der ganze Klamauk unseres Lebens enthalten. Es geht nicht um Superhelden, die jedes Weib willig flachlegen, sondern eher um die Viagra-Boys in den 30ern. Das Trio ist allerdings auch musikalisch reizvoll. Man ertappt sich beim rhythmischen Klopfen oder beim leisen Mitsummen. Es sind sicherlich keine Hits im Top-Ten-Sinne, doch wer die erwartet, liegt hier vollkommen falsch. “Morgenrot” ist ein Album, das sich erst mal setzen muß. Es braucht etwas Zeit, doch dann offenbart es einem die ganze Tiefe. Und diese Tiefe hinterläßt ihre Spuren. - Arndt Peltner
Legacy
"Im Morgenrot wird alles schön, wird alles gut..." Aufgrund dieser Textzeile und des dazugehörigen Songs hat sich meine Einstellung zum Tagesbeginn gründlich geändert, denn früher war mir schon beim Aufwachen bewußt, daß gleich die Arbeit beginnt und somit wieder mal ein Tag verloren ist. Stendal Blast haben mich aber mit ihrem aktuellen Album eines besseren belehrt. Sie beglücken uns mit einer CD, die es in sich hat. Leicht gewandelt, jedoch in unverkennbarem Stil, tragen sie uns die 13 Songs vor, die teils etwas schleppender ausgefallen sind als auf den Vorgängern "Was Verdorrt" und "Alles Liebe". Teilweise wurden auch die Songstrukturen etwas verändert und durch eingängige Beats angereichert. Stendal Blast waren und sind halt eine Band, die man absolut nicht in bekannte Schemata einordnen kann. Die rudimentär und banal wirkenden Texte vermitteln auch diesmal wieder eine Botschaft, sofern man den nötigen Intellekt mitbringt und sich ihnen nicht verschließt. Diese Texte machen es auch hauptsächlich aus, daß man schon beim zweiten Hören zwangsläufig mitsingen muß - ein Attribut, welches kaum eine Band vorzuweisen hat. Highlights von "Morgenrot" sind ohne Zweifel die schnelleren Songs "Schimmelreiter", "Alle gegen die Schwerkraft" und "Wo führt das hin?", aber auch das getragene "Julia, Jolante und Marie" hat seinen ganz besonderen Charme. Kaaja Hoyda, der Kopf der Band, hat mit diesem Album ein weiteres Mal seine Genialität unter Beweis gestellt. Seine Vocals klingen zwar nicht mehr so krank wie früher, jedoch lassen sie die gewohnte Intensität nicht vermissen. Bei "Keine Wahrheit", welches nur mit Geige und Klavier intoniert ist, konnte ein Mitglied des berühmten Thomaner Chores sowie Christian Komorowski verpflichtet werden. Ihr braucht diese Platte, sie wird Euch den Weg weisen, so wie sie mir den Weg gewiesen hat, denn jetzt freue ich mich auf jeden neuen Morgen, denn schon beim Aufwachen weiß ich, was im Kassettenschacht meines Autos auf mich wartet... in diesem Sinne: "Alles wird schön, alles wird gut." (HD) - 15 Punkte
Sonic Seducer
Das Phänomen Stendal Blast begibt sich mit "Morgenrot" bereits in die dritte Runde. Nach den Clubhits "In diesem Sinne" und "Der spanische Mond" dürfte die Band inzwischen recht bekannt sein. "Morgenrot" führt dabei konsequent den eingeschlagenen Weg fort. So findet sich neben den wie üblich genialen Tanzflächenfüllern ("Wo führt das Hin", "Alle gegen die Schwerkraft" und "Das ist nichts") wieder mal Schräg-Experimentelles ("Aktions-Ansage, "Keine Wahrheit"). Dabei stehen ganz klar die herrlich sarkastischen Texte im Vordergrund, die beweisen, daß Humor verbunden mit Musik nicht zwingend mit niveau- und sinnlosem Gequatsche gleichzusetzen ist. Besonders in Sachen zwischenmenschliche Beziehungen beweist Kaaja Hoyda eine herrlich erfrischende Beobachtungsgabe. Pflichtkauf! - Martin Kreischer
Orkus
Stendal Blast sind seit 1989 und nunmehr drei CDs ein realistisches Stück Antikunst, verursachen Kopfschütteln, Lach- und Weinkrämpfe und so manche Tanzflur-Entgleisung. "Morgenrot" ist eine Art Konzeptalbum über den berüchtigten Tagesanbruch, der eigentlich bis zum Niedergang des krebsverursachenden Feuerballs so richtig beschissen ist, weil wir es wollen. Die musikalische Untermalung dessen, was uns unsere Augenränder beschert, ist eine Art mit Gitarren, Samples und Geige untermalter MIDI-Punk, erinnert manchmal gewollt an Plastikmüll und Elektroschrott und ist dabei in ihrer stupid melodiösen, eingängigen Weise fast durchweg tanzbar. Dazu passt die dicht bebilderte Anti-Lyrik wie die Faust aufs Auge.. Kaaja Hoyda sprechsingt über sexulle Trivialitäten, alltägliche Abgründe, kranke Träume und jene asoziale Ratlosigkeit, die uns zu dem macht, was wir sind: unkultivierte, ungebildete, triebgesteuerte, egoistische, beherrschbare, manipulierbare, alkoholsüchtige Alltagsmenschen. Na gut, das sind wir nicht immer, aber immer öfter. (9) - Thomas Manegold